Paul Krugman’s Happy New Year : „Things will get better“ – auch bei uns?

Things will get better. Seriously.

Die Lage wird wieder besser. Im Ernst.

Das war die Headline oben links auf der Frontseite der New York Times dieses Wochenende. Ursprünglich hatte ich die Financial Times Weekend kaufen wollen, die jedoch nicht geliefert worden war (mit Erschrecken dachte ich kurz an die Folgen des Brexit „komme ich je wieder an ausländische Nachrichten?!“, ließ das Thema jedoch rasch wieder fallen, immerhin ohja!!!gibt es das Internet ja noch *erleichtertesSeufzen*). Paul Krugmans Überschrift hielt, was sie versprach und daher möchte ich die wesentlichen Teile daraus hier ins Deutsche sinngemäß übertragen.

Was vielleicht vorher noch wichtig zu wissen ist…

Paul Krugman ist nicht irgendein dahergelaufener selbsternannter Serial Entrepreneur oder so. Er ist nicht mehr und weniger als ein Nobelpreisträger in Wirtschaftswissenschaften. Seine Meinung ist eine informierte Meinung.  Das hat man mir in Medienwissenschaften zu recht eingebläut und hat in den letzten Jahren verstärkte Bedeutung bekommen:

Achte auf die Quelle.

Sei Dir bewußt und/oder finde heraus, aus welcher Perspektive jemand auf eine Sache schaut.

Dass ich diese kommentierte Übersetzung heute hier bereitstelle, das hat folgende Gründe:

  • ich will, dass andere Menschen in Deutschland diesen Artikel lesen und sich bewußt werden, dass es diese internationalere und ja, etwas andere Sicht auch gibt
  • ich fände es schön, wenn uns aus dieser derzeit fast profi-deprimierten Sicht, die wir in Deutschland pflegen, im Abgleich klar wird, dass wir in zwei wesentlichen Punkten (der nachhaltigen Energieerzeugung wie im Biotech Bereich) als Nation soeben Großartiges geleistet haben… dies aber vor lauter CORONA unterzugehen scheint
  • ich möchte erinnern, wie wichtig es gerade derzeit ist, sich auch mal andere Medien zu Gemüte zu führen
  • sowie nicht zu allerletzt, mal ein Gefühl dafür zu geben, wie guter Journalismus aussehen kann. Aus dem Konsum deutschsprachiger, selbst früher hochrenommierter Medien kann ich das derzeit nicht mehr feststellen. Liebe deutsche Journalisten – wo ist Euer inhaltlicher, stilistischer und ethischer Ehrgeiz bloß geblieben? Diese Ausgabe der New York Times war jedenfalls rundum qualitative Nahrung fürs Hirn und steht für mich auf der „zur Zeit öfter kaufen“ Liste.

Well, genug der Vorrede.

Hier geht’s lang [meine Kommentare in eckigen Klammern]:

>> Die nächsten paar Monaten werden politisch, epidemiologisch wie wirtschaftlich die Hölle werden.

Doch ab einem gewissen Punkt in 2021 werden die Dinge wieder besser werden. Und

es gibt guten Grund zu glauben, dass, sobald die guten Nachrichten mal losgetreten sind, die positiven Entwicklungen schneller und nachhaltiger sein werden als viele erwarten.

Gut, ein Bereich, der vermutlich nicht besser werden wird, ist die U.S. amerikanische Politiklandschaft. Täglich zeigen uns die Republikaner – es ist bei weitem nicht nur Trump – dass sie schlimmer sind, als man sie sich je hätte vorstellen können, und zwar selbst wenn man berücksichtigt, dass sie schlimmer sind, als man je gedacht hätte. Derzeit akzeptiert eine der beiden amerikanischen Parteien die Legitimation einer von ihnen verlorenen Wahl nicht mehr… ein schlechtes Zeichen für das Schicksal unseres Staates.

An anderen Fronten jedoch gibt es eindeutig Anlaß für Optimismus.

Mit der fast märchenhaft schnellen Entwicklung eines Impfstoffes gegen den Coronavirus ist uns die Wissenschaft in großem Stil zur Hilfe gekommen. Zugegebenermaßen, unser Staat versaut den Rollout gerade – was kaum überrascht. Nichtsdestotrotz wird das ein temporäres Problem sein, vor allem, weil wir in 3 Wochen einen Präsident haben werden, der sich für seinen Job tatsächlich auch interessiert.

[KOMMENTAR: Wait! Fällt uns hier was auf? Yepp, das Rollout mit den Impfungen funktioniert in den USA wohl so richtig schlecht. Bei uns wird sich echauffiert, weil eine Software kurz nicht funktioniert hatte wie geplant… wo sind unsere Prioritäten? Was ist wesentlich… dieser kurze Fehler… oder, dass das Rollout im Prinzip gut und planvoll anläuft? #askingforafriend]

Und sobald wir die Impfungen in der breiten Fläche eingesetzt haben,  dann wird die Wirtschaft sich erholen [im Original „bounce back“ ist etwas aktiver, aber schwer zu übertragen].  Die Frage ist nur: Wie schnell und wie vollständig wird das geschehen?

Amerikas letzte Wirtschaftskrise war gefolgt worden von einer zähen Erholung. Bis 2014 dauerte es, bis sich die Arbeitslosenquote auf das Niveau von 2007 erholte, das „real median household income“ [in etwa: Realeinkommen pro Haushalt, durchschnittlich] brauchte bis 2016, um verlorenen Grund wieder wett zu machen. Viele Beobachter erwarten, dass das nun wieder passieren wird…

[Erstaunlich, oder? Ich hätte gedacht, die Amerikaner seien quasi die Helden eines raschen Bounce Back. Entweder war die Lage krasser, als ich wahrgenommen hatte (wahrscheinlich) und/oder, es ist eben doch mehr Story als Fakt (ebenfalls wahrscheinlich)].

Die Republikaner werden wieder die Macht im Senat haben und sich aktiv in Sachen wirtschaftlicher Sabotage engagieren – natürlich unter der Ausrede, das sei steuerlich verantwortungsvoll.

Die Krise von 2020 jedoch ist eine völlig andere als die von 2008 – und zwar auf eine Art und Weise, die unsere Aussichten deutlich besser aussehen lassen.

Die letzte Krise enthielt einen Wile E. Coyote Moment: Der private Sektor warf plötzlich einen Blick nach unten, merkte, dass da nix da war, das die extravaganten Immobilienpreise und hohen Haushaltsschulden schultern würde – und brach zusammen. Das Ergebnis war eine Phase zurückhaltenden Konsums. Der einzige Weg, um mehrere Jahre hoher Arbeitslosigkeit zu vermeiden, wäre ein großformatiger Steuerstimulus gewesen – und die Republikaner verhinderten genau das.

Im Kontrast dazu ist die 2020 Krise verursacht von einem Gegenwind aus dem Nichts, dem Coronavirus. Der private Sektor schien vorher recht entspannt aufgestellt gewesen zu sein. Auch wenn wir nicht unterschlagen sollten, welchen Schwierigkeiten Millionen amerikanischer Familien ausgesetzt sind, so hat die amerikanische Bevölkerung wie verrückt gespart und wird nach der Pandemie mit einer stärkeren Bilanz dastehen als zuvor.

Deswegen bin ich einer derjenigen, die ein rasches Wachstum erwarten, sobald die Menschen sich sicher damit fühlen, aus dem Haus zu gehen und Geld auszugeben. MitchMcConnell und Konsorten werden zweifellos tun, was sie immer tun, wenn ein Demokrat im Weißen Haus sitzt, und versuchen, diese Erholung zu boykottieren. Doch dieses Mal wird die Wirtschaft die Unterstützung nicht so dringend brauchen, wie sie es während der Obama Jahre tat.

Außerdem habe ich den Verdacht (wobei ich da etwas unsicherer bin), dass dieser Boom für lange Zeit anhalten wird.

Warum? Weil ich – wie eine Anzahl anderer Menschen – gerade über die Zukunft technologischer Entwicklungen optimistisch werde.

In den Jahren nach 2008 war nicht nur die hohe Arbeitslosigkeit charakteristisch. Diese Zeit war auch geprägt von einer Phase technologischer Enttäuschung. Wie der Unternehmer Petter Thiel (dessen Politik ich verabscheue, der aber ein guter Rethoriker ist) es ausdrückt:

„Es war eine Phase, in der wir fliegende Autos wollten, stattdessen aber 140 Buchstaben bekamen.“

(wie trivial dieser Kram ist, zeigt sich auch, wenn wir überlegen, was für eine große Sache es war, als auf 280 Buchstaben ausgeweitet wurde) Meint:

Wir haben ein bißchen glitzernde Dinge getan, mit der wir Information durch die Gegend verteilt haben, aber nicht viel Fortschritt gemacht in der materiellen Welt – und in der leben wir nach wie vor hauptsächlich.

In der letzten Zeit jedoch habe ich diversen Buzz über neue (physische) Technologien gehört, die mich an den Buzz erinnern, den es rund um die IT Welt in den 90s gab – der wiederum zum Vorzeichen der Produktivitätswelle der Jahre zwischen 95 und 2005 wurde. Biotech scheint endlich zu seiner Form zu finden – so kamen wir auch zu dieser wunderhaften Impfstoffen.

[KOMMENTAR: Hm. Ziemlich gut, dass da ein deutsches Unternehmen maßgeblich beiträgt, richtig? #biontech]

Good News zum Thema Impfstoff
Darauf hatte man gewartet. Zum Glück nicht sehr lange.

 

Quelle: ℹ? https://www.who.int/news-room/q-a-detail/coronavirus-disease-(covid-19)-vaccines (wird regelmäßig upgedatet, ist ein Bookmark wert).

Im Bereich der erneuerbaren Energien hat es unglaublichen Fortschritt gegeben.

Ich bin alt genug, um mich zu erinnern, dass Solar Energie irgendwann als Hippie Fantasie galt – und jetzt ist sie günstiger als fossile Brennstoffe.

[KOMMENTAR…. Hm…. erneuerbare Energien – war da nicht was? Achja, eine weitere deutsche Erfolgsstory.]

Deutschland generiert fast die Hälfte des Stroms durch Wind und Solar

ℹ? https://www.weforum.org/agenda/2020/08/where-solar-wind-power-are-thriving/

Klar ist da reichlich Raum für Zweifel über die kurzfristigen Aussichten für autonomes Fahren oder im Labor gezüchtetes Fleisch… aber schon allein die Tatsache, dass wir so darüber reden, ist ein gutes Zeichen für die Zukunft.

Diese neue Innovationswelle hat mit Policy Making [politischen Leitlinien] wenig zu tun, auch wenn der Fortschritt im Bereich erneuerbare Energien teilweise schon dem Engagement der Obama Regierung für grüne Energien zugesprochen werden kann. Aber die Biden Regierung wird im Gegensatz zu seinem Vorgänger wenigstens nicht GEGEN die Wissenschaft ausgerichtet sein und wird nicht verzweifelt versuchen, die kohlenverbrennende Vergangenheit wieder heraufzubeschwören. Das dürfte uns helfen, diese Fortschritte aktiver zu unserem Vorteil zu nutzen.

In meinem Technologie Optimismus bin ich etwas zurückhaltender als in meiner Erwartung, dass sich die Beschäftigungszahlen rasch erholen werden, sobald wir alle geimpft sind.

Insgesamt jedoch gibt es eine gute Chance, dass Biden einer Wirtschaft vorstehen wird, die viele Menschen positiv überrascht.

Happy New Year.<<

Gute Nachrichten – auch für uns in Deutschland

So, da bin ich wieder. Mich hat dieses Editorial daran erinnert: „Ja, vieles ist echt grad nicht so toll (wie genau, dazu wann anders mehr), GLEICHZEITIG ist es wichtig, den großen Zusammenhang nicht komplett zu vergessen.“

Für mich war es ein guter, ein motivierender Reminder.

Was macht es für Euch?

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