Denk-Darwinismus

Eine der extrem fabelhaften Sachen am Golfspielen ist, dass es exakter als alles andere, das mir bekannt ist, ein Feedback darüber gibt, was besser oder schlechter funktioniert.

  • Funktioniert der Schlag ganz easy, crisp und der Ball geht dorthin, wohin er sollte, war offensichtlich etwas richtig. Naja, nicht nur etwas, sondern einiges!
  • Wenn der Schlag nicht den gewünschten Effekt hatte, sich schwerfällig oder irgendwie ’schepp‘ (Kurpfälzisch für ’schief‘ ;)) anfühlt, dann war offensichtlich etwas nicht so gut wie sonst.

Dabei gibt es neben der eigentlichen Technik, die ich natürlich üben, trainieren, ein-üben muss, einen Faktor, über den ich auch sehr effektives Feedback von meinem Golfspiel bekomme:

Nämlich von bzw. über meine Gedanken bzw. mentale Verfassung.

Dabei ist das Wort ‚mental‘ fast schon gelogen, irgendwie verbrämend ausgedrückt, damit mir diejenigen hier, die von sich denken, sie seien ‚rationaler‘, nicht gleich abhauen.

Hier geht es um all das Unsichtbare, das in mir vor und bei einem Schlag passiert. Wenn wir ehrlich sind und es wagen, GANZ genau hinzuschauen, dann handelt es sich nicht einfach um Gedanken, sondern um einen Mix von dem, was wir allgemein ‚Gedanken‘ nennen und dem, was wir eher ‚Gefühl‘ nennen würden. Inzwischen würde ich mich sogar darauf versteifen, dass es ganz viele Gedanken/Gefühle gibt, die in Wahrheit eine untrennbare Kombination sind.

Ein Beispiel: Den Gedanken „ich kann das eh nicht“ – wer kann den denken ohne sich dabei schlechter zu fühlen als bei dem Gedanken „das könnte schon klappen“? Und wenn nun dieser Gedanke mit diesem Gefühl zusammen um die Ecke kommt und zwar jedes einzelne Mal… ist es dann nicht ziemlich wurscht, ob ich es so oder so nenne?

Welche Gedanken, welche innere Haltungen gute Ergebnisse bringen:

Beim Teeshot

Hier hat es sich am besten bewährt, sich erstmal mit der Auswahl eines Ziels zu beschäftigen – eines exakten Ziels – nicht ein „da hinten wo“, sondern: „da hinten der helle Blumenfleck – da will ich hin“. Der Golfschwung ist ja eine sehr schnelle Veranstaltung und wie bei einem Navi für ein Scharfschützengewehr ist es einfach besser, gleich das exakte Ziel einzugeben. Unterwegs ist in diesem Fall keine Zeit mehr, nochmal nachzujustieren.

Bei der Auswahl des exakten Ziels muss ein Gefühl bzw. Eindruck von MACHBARKEIT in der Luft sein. Wenn ich mir da unsicher bin, heißt es: Das Ziel paßt nicht. Nur ein Ziel,  mit dem vor Augen ich mich locker an den Abschlag stelle, kann funktionieren.

Das Gleiche gilt für die Wahl des Schlägers… wenn ich z.B. doch den längeren Schläger nehme, obwohl mein Körper mir zugeflüstert hat, er würde lieber mit dem kürzeren und einem großzügigeren Schwung antreten, so ist es wichtig zu wissen: Mein Körper und seine Intelligenz wird recht behalten.

Die Beschäftigung mit dem exakten Ziel  hat einen weiteren Vorteil, den wiederum die Yogis auch lehren: Wenn ich mir bereits darum Gedanken mache, kann ich mir parallel nicht um etwas anderes, evtl. Negatives Gedanken machen. Mehr als ein Gedanke zur gleichen Zeit geht (zum Glück) einfach nicht.

Auf dem Fairway

Bei Abschlägen auf dem Fairway bleibt es bei der exakten Zielauswahl, die zuerst zu treffen ist. Außerdem addiere ich hier ein wenig detaillierter ein paar taktische Gedanken dazu, wie hoch das Gras ist, aus dem ich spiele, ob ich etwas schräg stehe – aber dann gilt es vor allem nicht zu lange drüber rumzubrüten… wie sonst im Leben auch, nicht wahr? 🙂

Kurzes Spiel

Hier geht es mir bislang so, dass ich noch mehr an die Körper- und Instinkt-Intelligenz abgeben muss. Mein Gefühl dabei ist, jetzt komplett auf „Jagd“-Modus umzustellen. Wenn ein Shot gut wird, habe ich mich vor allem mit dem Ziel (der Fahne, noch besser einer exakten Ecke am Cup) beschäftigt – und meinen Körper nach ein paar kleinen Technik-Checks machen lassen. Denken in dem Sinne kommt hier – wenns gut läuft – möglichst wenig vor. So fühlt es sich in Erfolgsfällen jedenfalls an.

Putten

Hier wird es richtig interessant. Neulich habe ich ein paar Sessions gezielt Putting trainiert – und das scheint einen guten Effekt gehabt zu haben. Vor allem ein Tipp von Mental-Coach Rotella hat 1a funktioniert: Er empfiehlt, nicht das Putten, sondern das Einlochen selbst zu trainieren. D.h. das Putting-Training von kurzen Distanzen her so aufzubauen, dass das Hirn möglichst oft zu sehen bekommt: Das hier funktioniert.

Beim Training schon hatte ich bemerkt, dass ein „Möglichkeits-Gedanke“ sehr hilfreich ist. Damit meine ich nicht einen „positiven“ Gedanken in dem Sinne sondern einen, der in etwas so geht:

„Hm. Das ist ein relativ langer Putt. Nun gut, das ist jetzt zwar nicht wahrscheinlich, aber schon möglich. Gehen wirs an.“

Was soll ich sagen? Mit diesem schlichten kleinen Gedanken (der auch den Vorteil hat, dass man sich nicht zu sehr aufs Gelingen-Müssen versteift) sind mir ein paar richtig gute lange Putts gelungen. Und das ist… Magic!

Insgesamt

Meine ganz persönliche Forschung ergibt also bisher:

Es geht viel weniger um sogenannte ‚positive‘ Gedanken, sondern eher um einen entspannten, reflektierten Umgang mit der jeweiligen Situation und eine freundliche, auf Möglichkeit und Machbarkeit bedachte Gedankenwelt dazu, die wiederum frei von inneren Widersprüchen ist.

Das klingt fast ein wenig unspektakulär, nicht wahr?

Man könnte auch sagen, eine freundlich-sachliche Haltung ist am hilfreichsten – und am großartigsten ist es, wenn noch etwas Spaß, Leichtigkeit, Abenteuerlust mit dazu kommt (ich denke da an den hübschen Lob-Shot, der von einer Halbinsel im Teich auf das Green gelang – das war lustig! :))

Was nicht hilft

Ich will da gar nicht so detailliert darauf eingehen, da es gar nicht sinnvoll ist, sich das weiter einzuprägen (daran mangelt es ja den meisten ohnehin nicht). Nicht funktionieren tun offensichtlich:

  • kritische innere Dialoge mit Bewertungen über das eigene Können oder Nicht-Können
  • schon handeln während man sich innerlich noch nicht einig ist
  • unreflektiert und ohne klare Absicht für diesen nächsten Schlag loszulegen
  • negative Gedanken ’streichen‘ oder übertünchen zu wollen

Ein funktionierender Denk-Darwinismus gibt den Kopf etwas Konstruktives, Hilfreiches zu tun – und nich damit dem Nicht-Hilfreichen keinen Raum.

Welche Gedanken haben Ihnen beim Golf – und im Leben – schon sichtbar geholfen?

[Bildquelle: Hans auf Pixabay – danke!]

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